Warum Verbote eine trügerische Sicherheit schaffen
Die Diskussion rund um Medienkonsum und Jugendschutz erhält derzeit neuen Schwung. Nicht zuletzt durch den australischen Social-Media-Ban. Auf den ersten Blick mag ein solcher Schritt wie ein grosser Wurf wirken. Wir schützen unsere Kinder, indem wir problematische Apps sperren.
Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Verbote allein lösen keine Probleme – sie kaschieren sie nur.
Jugendtrends.ch beschäftigt sich seit jeher damit, wie junge Menschen digitale Räume erleben, welche Chancen und Risiken darin stecken und wie Erwachsene darauf reagieren können. Dabei zeigt sich immer wieder: Es geht nicht um einzelne Apps, sondern um Mechaniken und Begleitung.
Medienkompetenz entsteht nicht durch Sperren
Social Media, Spiele und Messenger sind feste Bestandteile im Alltag junger Menschen. Sie sind Orte sozialer Interaktion, Identitätsbildung und Information. Dass Mediennutzung Risiken birgt – wie Suchtpotenzial, Vergleiche oder unerwünschte Kontakte – ist unbestritten. Doch durch Sperren lernt niemand, damit umzugehen.
Was Kinder und Jugendliche brauchen, sind Begleitung, Gespräche und Reflexion – nicht nur Beschränkungen. Erwachsene müssen verstehen, wie digitale Räume funktionieren, um wirklich unterstützen zu können.
Wenn man die Ausnahmen anschaut …
Der australische Ban enthält eine Liste von Ausnahmen: Discord, GitHub, LEGO Play, Roblox, Steam (inkl. Steam Chat), Google Classroom, Messenger, WhatsApp und YouTube Kids. Auf den ersten Blick erscheinen diese als ungefährlich. Doch genau hier liegt der Knackpunkt: Die Mechaniken dahinter sind oft identisch mit denen der gesperrten Apps.
Roblox etwa kombiniert Spiel, soziale Interaktion und Ökonomie. Durch offene Chats, zeitlich limitierte Events oder zufallsbasierte Belohnungen begünstigen Risiken wie Cybergrooming und nutzen psychologische Tricks wie FOMO, Casino-Strukturen und Dark Patterns. Ähnlich wie auf klassischen Social-Media-Plattformen.
Discord schafft private Räume ohne öffentliche Kontrolle, in denen Gruppendruck und extreme Dynamiken wachsen können. Messenger-Apps wie WhatsApp erzeugen sozialen Druck und permanente Erreichbarkeit – ohne sichtbaren Feed, aber mit realen sozialen Konsequenzen für Jugendliche. Plattformen wie Steam verbinden soziale Vergleichsmuster mit Status und Besitz.
Kurz gesagt: Diese Dienste nutzen psychologische Mechaniken, die junge Menschen fesseln, belohnen und beanspruchen – genau wie die Netzwerke, die gesperrt werden.
Verbote beruhigen, echte Herausforderungen bleiben
Ein Verbot kann Eltern ein Gefühl von Sicherheit geben: „Gefährliches ist ja raus.“ Doch diese Sicherheit ist trügerisch. Sie verschiebt den Fokus weg vom eigentlichen Thema: Wie begleiten wir junge Menschen wirklich?
Mediennutzung ist tief im sozialen Alltag jugendlicher Lebenswelten verankert. Sie hat positive und negative Seiten – und es braucht aktive Auseinandersetzung statt Verbote.
Was es wirklich braucht
Statt über Sperren zu debattieren, sollten wir als Gesellschaft den Blick auf Förderung, Prävention und Begleitung richten:
- Erwachsene stärken – Eltern, Lehrpersonen, Bezugspersonen brauchen Wissen über digitale Mechaniken und Werkzeuge zur Begleitung.
- Medienbildung in Schulen verankern – nicht als Nebenfach, sondern als fester Bestandteil des Unterrichts.
- Gemeinschaftliche Regeln entwickeln – nicht verordnet, sondern gemeinsam getragen in Familien, Vereinen und Schulen.
Medienkompetenz entsteht durch Erfahrung, Reflexion und Begleitung – nicht durch Verbotsschilder.
Fazit
Verbote mögen auf den ersten Blick einfach erscheinen und beruhigend wirken – doch sie bekämpfen nur Symptome, nicht die Ursachen. Was Kindern wirklich hilft, ist nicht weniger Zugang, sondern mehr Begleitung, Bewusstsein und Verständnis. Nur so können junge Menschen lernen, sich sicher, kritisch und selbstbestimmt in digitalen Räumen zu bewegen – und darum sollte es gehen.
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